Die Geschichte der Gerichtsbarkeit in Rheinberg bis zum Bau des Gerichtes:

Die gerichtlichen Verhältnisse in Rheinberg lassen sich bis zur fränkischen Zeit zurückverfolgen, wo die Stadt einen fränkischen Grafensprengel oder Gerichtsbezirk gebildet haben soll. Nachgewiesen ist, dass durch den Erwerb von Kurköln das Amt Rheinberg um 1100 Gerichtsbezirk wurde. Im Jahre 1232 erhielt der Ort zugleich mit der Verleihung der Stadtrechte ein eigenes Gericht nach dem Vorbild der Stadt Neuss. Dieses Gericht war damals Appellationsgericht für die sonstigen Gerichte im Amte Rheinberg. Zunächst unterstand es dem Oberhofe in Neuss und vom Jahr 1766 an dem hohem weltlichen Gericht in Köln als zweiter Revisionsinstanz. Die dritte Revisionsinstanz bildete das weltliche Hofgericht in Köln.

Das Amt des Schultheißen und Schöffen wurde bis zum 16. Jahrhundert von den erzbischöflichen Hofleuten verwaltet, die im Amt Rheinberg Besitzungen und zumeist eine Wohnung in der Stadt hatten.

Neben dem Schöffengericht hat es in Rheinberg seit etwa 1400 ein Erb-, Hof- und Baugericht und vom 17. Jahrhundert an ein Magistratsgericht gegeben. 

Die Aufgaben der Schöffen waren damals nicht auf die Teilnahme an der Rechtsprechung eingeschränkt. Es gab ja noch keine Gewaltenteilung, d.h. Trennung von Rechtsprechung und Verwaltung.

Neben der niederen und streitigen Gerichtsbarkeit nahmen die Schöffen auch in nicht unerheblichem Umfang die Aufgaben der freiwilligen Gerichtsbarkeit wahr. Vor den Schöffen wurden zahlreiche Verkäufe von Häusern, Grundstücken oder Belastungen vorgenommen. Die vom Gerichts- oder Stadtschreiber angefertigten Urkunden wurden nach der Unterzeichnung mit dem Stadt- oder Schöffensiegel versehen und waren damit beweiskräftig, wenn mindestens zwei Schöffen mitwirkten. Durch diese Möglichkeit, innerhalb der Stadt Wertgegenstände zu veräußern und zu beleihen, wurde der Handel erheblich erleichtert und gefördert. In der Stadterhebungsurkunde (der Stadt Xanten) von 1228 war gleichzeitig den Schöffen aufgegeben worden, sich in Rechtsfragen an den "Oberhof" in Neuss zu wenden, wenn sie das Recht nicht "verstanden oder wissen". Neuss war damals für viele Städte aus der Erzdiözese Köln sogenannter "Oberhof" und zwar für Liedberg, Rees, Horst, Rheinberg, Kaarst, Glehn, Ürdingen, Odenkirchen, Kempen, Grefrath, Moers und Krefeld. (Max Reichelt, Die Gerichte in und um Xanten von den Anfängen über die Stadterhebung bis zur Auflösung des Amtsgerichts 1987).

Das kurkölnische Schöffengericht gab es in Rheinberg bis zur Franzosenzeit um 1800. Dann trat das Friedensgericht an seine Stelle.

Die Sitzungen des Rheinberger Schöffengerichts fanden bereits im 16. Jahrhundert im Rathaus der Stadt Rheinberg statt. Im 17. Jahrhundert kam das neu entstandene Magistratsgericht dazu, das in privaten Auseinandersetzungen der Bürger, bei Beschwerden der Zünfte und anderen Angelegenheiten verhandelte. Zu den wenigen Strafen, die der Magistrat neben Geldstrafen verhängen konnte, gehört der sogenannte Arrest auf dem Rathaus. Die Delinquenten wurden dazu in dem schon erwähnten Arrestraum, auch Karzer genannt, auf dem Söller des Rathauses untergebracht.

Erwähnenswert im Zusammenhang mit der Rheinberger Gerichtsstätte ist auch der Ring vor dem Rathaus. Der bis in die Nachkriegszeit im Straßenpflaster durch blaue Pflastersteine angedeutete Ring von 5 Metern Durchmesser umschloss einen Stern und wurde vom Rheinberger Dichter Otto Hans als der ehemalige Standort des früheren Hochgerichtsgalgens gedeutet.

Durch königlich preussisches Reglement vom 3. Oktober 1756 wurde im Herzogtum Cleve das Gerichtswesen neu geordnet. Das Gebiet wurde in vier Landgerichtsbezirke aufgeteilt, Cleve und Xanten für den linksniederrheinischen und Wesel und Dinslaken für den rechtsrheinischen Teil. Hierdurch wurden gleichzeitig 20 Untergerichte, ohne Patrimonialgerichte, aufgehoben. Das Landgericht Xanten wurde mit einem Landrichter und zwei Assessoren besetzt, von denen der jeweils jüngere auch die Aufgaben des Gerichtsschreibers wahrzunehmen hatte. Anstelle von Sporteln erhielten die Richter feste Gehälter. Einem Landrichter wurden jährlich 500,00 Reichstaler und den Assessoren 400,00 Reichstaler Gehalt gezahlt. Eine für damalige Verhältnisse stolze Besoldung im sonst recht kargen Preussen. Nach den preussischen Beamtengrundsätzen wurde ein Staatsdiener für seine Tätigkeit nämlich nicht entlohnt, sondern der Staat zahlte ihm nur einen angemessenen Unterhaltsbetrag, hingegen der Beamte seine ganze Arbeitskraft dem Staate zur Verfügung zu stellen hatte. Das großzügige Gehalt schien Friedrich II aber die Richter und deren Tätigkeit im Interesse des Volkes wert zu sein. Gleichzeitig erging an die Richter die Anweisung bei Vermeidung der Amtsenthebung zweimal in der Woche ab morgens 8 Uhr mit den Gerichtssitzungen zu beginnen.

Gelder durften nur gemeinsam mit dem Aktuar entgegen genommen werden und waren gemeinsam zu verschliessen. Jeder hatte einen Schlüssel für die zwei verschiedenen Schlösser. Bei Verstoss wurde eine Strafe bis zu 3 Jahren Karrenarbeit -Zuchthaus- angedroht. Durch diese Massnahme sollten Bestechlichkeit und Unterschlagung schon im Ansatz unterbunden werden. Noch heute haben zwei Beamte für die Testamentsverwaltung jeder einen Schlüssel für verschiedene Schlösser, die demnach nur gemeinsam geöffnet und verschlossen werden können (Max Reichelt).

Um 1837 wurde erstmals der Vorschlag von der Justizverwaltung gemacht, das Rheinberger Friedensgericht im Rathausgebäude unterzubringen. Diese Idee war mit der Anlass zur Restaurierung und zum Ausbau des Rathauses der Stadt Rheinberg, der von 1853 bis 1880 erfolgte.

Das Friedensgericht im Rathaus gab es bis zur Einführung der Amtsgerichte. Der ehemalige Direktor des Amtsgerichts Xanten, Max Reichelt, hat die Friedensrichter wie folgt charakterisiert: "Den Friedensrichtern sagt man wegen der Volksnähe und ihres meist humorvollen Wesens eine segensreiche Wirkung nach, weil sie meist lange an Ort und Stelle waren und deshalb Land und Leute kannten." Am 11. Oktober 1879 wurde der damalige Friedensrichter Pick zum ersten Amtsrichter von Rheinberg bestellt. Lange Zeit genügte ein Richter zur Erledigung der Geschäfte des Amtsgerichts. Erst mit der aufblühenden Industrie gewann auch das Amtsgericht an Bedeutung und durch das ständige Wachsen der Bevölkerung wurde ein zweiter Richter nötig um die anfallenden Geschäfte zu bewältigen. Dieser wurde am 1. Juli 1914 kurz vor Ausbruch des Krieges ernannt.

 

Die Zeit von 1910 bis zum Bau des Gerichtsgebäudes

Mit dem zunehmenden Arbeitsanfall wurde der Raumbedarf des Amtsgerichts größer. Als im Jahre 1910 das Amtsgericht aus dem Rathaus verlegt werden musste, wurden repräsentatives Gebäude des Kommerzienrates Underberg in der Rheinstrasse angemietet. Schon damals war klar, das dies nur ein vorübergehender Zustand sein konnte.

 

Der Bau des Gerichtes

Bei den vorbereitenden Erörterungen, die sich auf die Herstellung des Neubaues bezogen, ergab es sich als zweckmässig, auch für das Gefängnis, das zu dieser Zeit als sogenanntes Kantongefängnis dem Ministerium des Inneren unterstand, einen Neubau vorzusehen und seinen Betrieb der Justizverwaltung zu übergeben

Es wurde festgelegt, dass das neue Geschäftsgebäude des Amtsgerichts Raum für 3 Richter und 1 Hilfsrichter, sowie für eine Dienstwohnung bieten sollte, während im Gefängnis 12 Einzel- und 2 Gemeinschaftszellen, sowie die Wohnung für den Aufseher unterzubringen waren. Für die Möglichkeit der Erweiterung beider Bauteile war Sorge zu tragen.

Nach diesem Programm wurde im Jahre 1911 ein ministerieller Vorentwurf aufgestellt, auf den sich der auf dem Königlichen Hochbauamt in Krefeld im Jahre 1912 ausgearbeitete Entwurf und Kostenvoranschlag gründete. Durch Ministerialerlass vom 14. März 1914 traf der für die örtliche Bauleitung bestimmte Regierungsbaumeister in Rheinberg ein.

Der erste Spatenstich zur Herstellung der Fundamente erfolgte am 7. September 1914.

Zunächst wurde das Gefängnis gebaut. Das Dach wurde auf das Gebäude im August 1915 gesetzt und der Innenausbau so vorangetrieben, das am 1. Oktober 1915 das Baubüro in der Dienstwohnung des Gefangenenaufsehers untergebracht werden konnte.

Die Arbeiten für das Gerichtsgebäude wurden durch das ungünstige Wetter im Jahre 1915 stark verzögert. Das Dach wurde im Juli 1916 auf das Gerichtsgebäude gesetzt.

Für den Bau der Gebäude (ohne Grunderwerb) waren 193.700 Mark zur Verfügung, hinzu kam die Anlage der Nebenstraße und des Bürgersteiges mit 7.200 Mark.

Für die innere Einrichtung waren 20.500 Mark erforderlich.

Die Übergabe des Gerichtsgebäudes fand am 1. Januar 1917 statt.

Das bisherige Amtsgericht in Xanten wurde am 1. Januar 1979 aufgelöst und als Zweigstelle des Amtsgerichts Rheinberg weitergeführt.

Wann die Diskussion um den Erweiterungsbau des Amtsgerichts in Rheinberg begann kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden, erste Planungen wurden jedoch bereits 1977 aufgenommen. Lange vor dem ersten Spatenstich war klar, dass das Gebäude an der Rheinstrasse für die gewachsenen Aufgaben zu klein war. Nach einem langen Weg durch die Instanzen war es soweit: Am Dienstag, den 3. April 1990 um 15.00 Uhr erfolgte der erste Spatenstich für den Erweiterungsbau durch den damaligen Justizminister Dr. Rolf Krumsiek. Der dreigeschossige Neubau entstand hinter dem alten Gerichtsgebäude.

Durch den Neubau war es möglich, alle juristischen Geschäfte im Amtsgerichtsbezirk zentral in Rheinberg zu erledigen und die Zweigstelle in Xanten aufzulösen.

Die Erweiterung war so grosszügig geplant, dass in Rheinberg auch ein Schöffengericht tagen könnte. Schöffenprozesse werden jedoch auch derzeit für den Bezirk Rheinberg in Moers geführt. 

 

Am 17. Mai 1993 wurde dann der Neubau eingeweiht und der Schlüssel von dem Architekten Bernhard W. Majewski an den damaligen Direktor des Amtsgerichts Helmut Bangen im Beisein des Justizministers übergeben.

Durch den Neubau wuchs die Bürofläche des Amtsgerichts von 850 qm auf 2400 qm, die Zahl der Sitzungssäle wuchs von zwei auf fünf Säle. Eine moderne Eingangshalle, mit viel Glas und Zink verkleidet, und ein Fahrstuhltrakt verbinden nun Alt- und Neubau. Verklinkerung und Dachform (steiles Satteldach) wurden so abgestimmt, dass "alt und neu" zusammmenpassen.